„Made in Germany” Wirtschaftsskandale haben die Marke Deutschland beschädigt

Von Christiane Schulz, CEO Edelman Deutschland

„Made in Germany”. Das Label stammt von 1877, erfunden von der britischen Regierung als abwertende Bezeichnung für angeblich minderwertige Produkte aus Deutschland. Längst ist es zum Inbegriff deutscher Qualität und Ingenieurskunst geworden. Für viele Briten steht „Made in Germany“ heute für „Vorsprung durch Technik“ – ein deutscher Satz, den Audi schon seit Jahren in seinen Werbespots und Anzeigen in Großbritannien verwendet.

Dieser Tage ist der Lack allerdings ziemlich angekratzt dank diverser Wirtschaftsskandale – vom Dieselskandal bis zu den vielen nicht nur juristischen Problemen der Deutschen Bank. Wir wollten genau wissen, wie schwer die Marke „Made in Germany“ tatsächlich angeschlagen ist und gaben darum einen Sonderbericht des Edelman Trust Barometers in Auftrag.

Die Zahlen sprechen für sich: In den USA haben nur noch 38 Prozent der Bevölkerung Vertrauen in deutsche Unternehmen. Das sind 7 Prozent weniger als noch vor einem Jahr. Von den Franzosen vertrauen nur 46 Prozent weiterhin deutschen Firmen, das sind 10 Prozent weniger als noch im Vorjahr. Und selbst dort, wo die Daten sehr viel optimistischer aussehen – in Schwellenländern wie Brasilien, Indien, Mexiko und China, wo die Vertrauensquote noch über 70 Prozent liegt – sehen wir die ersten deutlichen Anzeichen dafür, dass der gute Ruf der Marke Deutschland allmählich nachlässt.

In unserem jährlichen Trust Barometer hat Deutschland jahrelang das Ranking angeführt und galt zusammen mit Ländern wie Kanada, der Schweiz oder Groß-britannien als Sitz der vertrauenswürdigsten globalen Unternehmen. Das ist vorbei und der Vertrauensverlust ist branchenübergreifend: von den Finanzdienstleistern über die Chemie- und Pharmabranche bis hin zur Automobilindustrie.

Seit fast 20 Jahren haben wir bei Edelman Daten zum Thema Vertrauen erhoben und ausgewertet. Wir haben gesehen, wie lange es dauern kann, Vertrauen zu eta-blieren bzw. es wiederaufzubauen und wie schnell man einst gewonnenes Vertrauen auch wieder verlieren kann – und zwar für immer. Vor diesem Hintergrund ist unser Trust Barometer für die Marke Deutschland besonders alarmierend. Die Daten belegen: die jüngsten Skandale haben das Vertrauen in die deutsche Wirtschaft grundlegend geschädigt. Das ist vor allem in anderen Industrienationen der Fall, wo die Öffentlichkeit zweifelt, ob deutsche Unternehmen gewappnet sind, um Korruption aufzudecken bzw. zu verhindern. Die Ethik deutscher Unternehmen wird infrage gestellt. Auch das Vertrauen in die Qualität deutscher Produkte beginnt nachzulassen. Noch problematischer ist, dass deutsche Unternehmen nicht als gute „global Citizen“ betrachtet werden und der Eindruck entsteht, sie würden sich vor Ort nicht genug engagieren.

Der Ansehensverlust im Ausland steht im scharfen Gegensatz zum deutschen Selbstverständnis. Viele sehen „Made in Germany“ weiterhin als eine Marke, auf die das Land stolz sein kann – mit einem höheren Stellenwert als der Einfluss Deutschlands innerhalb der EU oder auf der Weltbühne der Diplomatie. Allerdings verlieren selbst viele Deutsche langsam ihr Vertrauen in deutsche Unternehmen, was darauf hindeutet, dass deutsche Firmen grundlegende Probleme mit ihrer Kommunikation und Unternehmensführung haben.

Der weltweite Vertrauensverlust verletzt mehr als nur den Stolz mancher Deutscher; seine Auswirkungen sind viel weitreichender. Wir wissen, dass Kunden heute Kaufentscheidungen auf der Grundlage ihrer Überzeugungen treffen. Wenn sie einer Marke nicht vertrauen, kehren sie ihr sehr schnell den Rücken zu. Wie unsere Umfrage zur Marke Deutschland zeigt, ist dieser Prozess bereits im vollen Gange. Sowohl in Entwicklungs- als auch in Industrieländern geben 29 bis 54 Prozent der Befragten an, aufgrund der Skandale deutscher Unternehmen weniger deutsche Produkte zu kaufen oder diese sogar aktiv zu boykottieren.

Dies sind eindeutige Warnsignale für die Exportnation Deutschland.

Um das verlorene Vertrauen langsam wiederzuerlangen, muss die gesamte deutsche Wirtschaft in Bewegung kommen. Marketingkampagnen sind hier nicht die Lösung; stattdessen bedarf es einer integrierten Kommunikationsstrategie, die glaubwürdig ist und sich vor allem auf die Wiederherstellung des verlorengegan-genen Vertrauens konzentriert. Unternehmen müssen klar die Führung übernehmen, am besten, indem sie ihre eigene Vertrauensbilanz erstellen und offen und ehrlich ihre eigenen ethischen Konflikten lösen, ihren Mitarbeitern helfen zukunftsfähig zu werden, und mit der Öffentlichkeit vor Ort und weltweit offen und transparent kommunizieren.

Das kann durchaus bedeuten, dass Vorstandschefs eine prominentere Rolle einnehmen müssen als bisher. Wir alle wissen, dass dies deutschen Firmenbossen nicht immer leicht fällt. Eines steht aber auf jeden Fall fest: Alle Unternehmen müssen aktiv an ihrem eigenen Vertrauensbarometer arbeiten – indem sie die Stärken und Schwächen ihrer eigenen Marke identifizieren.

Nur wenn deutsche Unternehmen wieder eine solide Vertrauensgrundlage schaffen, lässt sich das Vertrauen in die Marke Deutschland retten und verbessern. Falls nichts geschieht, dann könnte „Made in Germany” in der Tat bald zum Markennachteil werden.

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