Die Welt durchlebt eine Phase tiefer Verunsicherung. Das zeigen die Daten des Edelman Trust Barometers 2018 deutlich. In nur noch vier der 28 untersuchten Länder liegt das Vertrauen der Menschen auf einem hohen Niveau. Konkret sind das China, Indonesien, Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate. In 20 Ländern überwiegt die Verunsicherung. Einer der wesentlichen Faktoren für den Vertrauensverlust: Fake News und die verzweifelte Suche nach echten Informationen. Aus der Vertrauenskrise, die sich bereits aus den Ergebnissen des vergangenen Jahres ablesen ließ, ist ein Ringen um die Wahrheit geworden, das eine noch tiefere Verunsicherung in der Bevölkerung nach sich zieht und die Welt polarisiert
, sagt Susanne Marell, CEO Edelman.ergo.
Fake News verunsichern Menschen weltweit
Aus dem anfangs teils belächelten Phänomen von Falschinformationen im Internet, sogenannten Fake News, ist inzwischen eine ernste Bedrohung geworden. Nahezu sieben von zehn Befragten weltweit (in Deutschland 61 Prozent) haben Angst vor Fake News, mit denen unter anderem Wahlen manipuliert werden könnten. Gleichzeitig sagen 63 Prozent (Deutschland 54 Prozent), dass sie nicht wissen, wie sie Falschinformationen von Qualitätsjournalismus unterscheiden sollen - im Newsfeed von Plattformen wie Facebook sehen schließlich alle Meldungen gleich aus.
Diese Verunsicherung spiegelt sich auch in den Vertrauenswerten für Medien wider. Zum ersten Mal seit Erhebung des Edelman Trust Barometers ist die Institution Medien weltweit diejenige, der am wenigsten vertraut wird - in 22 der 28 untersuchten Länder überwiegt das Misstrauen.
Journalismus schlägt Plattformen wie Google, Facebook & Co.
Allerdings: Der Vertrauensverlust in Medien ist vor allem auf einen Rückgang des Vertrauens in Plattformen wie Suchmaschinen und Soziale Medien zurückzuführen. In 21 von 28 Ländern schwindet deren Glaubwürdigkeit. Auf globaler Ebene vertrauen Plattformen nur noch 51 Prozent der Befragten (minus zwei Punkte). Die Gegenbewegung dazu: Journalismus, wie ihn traditionelle Medien wie Zeitungen und TV-Sender sowie seriöse Online-Medien betreiben, gewinnt deutlich an Vertrauen: global fünf Punkte auf 59 Prozent. In Deutschland klafft zwischen Journalismus (61 Prozent) und Plattformen (40 Prozent) eine noch größere Vertrauenslücke: 21 Punkte.
Wenn Menschen nicht mehr zwischen Fakten und Falschinformationen unterscheiden können, hat das grundlegende Folgen für unseren gesellschaftlichen Diskurs und den Zusammenhalt. Der Schutz einer hohen Informationsqualität ist zur wichtigsten Aufgabe der Medien geworden
, sagt Susanne Marell.
Das Edelman Trust Barometer zeigt zugleich, dass diese Aufgabe alles andere als einfach zu bewältigen ist. 66 Prozent der Menschen global (Deutschland 46 Prozent) sind der Meinung, dass Nachrichtenorganisationen mehr an einer möglichst großen Reichweite interessiert sind, als an faktischen Informationen. Für 59 Prozent (Deutschland 47 Prozent) haben diese zudem eine politische Agenda und informieren nicht neutral über die Geschehnisse auf der Welt.
Eine bittere Folge von Fake News: Viele Menschen werden zu Medienmuffeln. In Deutschland geben 67 Prozent (global 50 Prozent) der Befragten an, dass sie weniger als einmal pro Woche Nachrichten lesen, hören oder sehen. Nur 15 Prozent (global 25 Prozent) beschäftigen sich mehrmals pro Woche mit dem Weltgeschehen.
Revival von Journalisten und Experten
Angesichts dieser Nachrichtenverdrossenheit fällt es schwer, den Vertrauensaufschwung für den Journalismus als eindeutig positiv zu bewerten. Die Glaubwürdigkeit von Journalisten legt global um zwölf Punkte auf 39 Prozent zu. In Deutschland fällt der Anstieg noch deutlicher aus: um 19 Punkte auf 45 Prozent. Personen wie Du und ich - seit Jahren eine der glaubwürdigsten Gruppen - verlieren dagegen global sechs Punkte auf 54 Prozent (in Deutschland ein leichtes Plus um zwei Punkte auf 67 Prozent und damit nach wie vor Platz eins).
Zu diesem Trend passen auch die verbesserten Glaubwürdigkeitswerte für technische und akademische Experten. Global stehen technische Experten mit 63 Prozent jetzt an der Spitze der Glaubwürdigkeitsskala (plus drei Punkte), gefolgt von Akademikern mit 61 Prozent (plus einen Punkt). Auch in Deutschland steigen die Werte für beide Gruppen: Technische Experten legen um sechs Punkte auf 60 Prozent zu, Akademiker um acht Punkte auf 57 Prozent. Zusammengefasst könnte man sagen: Die Menschen sehnen sich nach Fakten und Einordnung. Von Experten, die ihre Profession gelernt haben.
USA: Drastischer Absturz der Vertrauenswerte
Besonders deutlich zu sehen ist diese Entwicklung in den USA. Im Jahr zwei der Präsidentschaft von Donald Trump zeigt das Edelman Trust Barometer in diesem Land den dramatischsten Vertrauensverlust in der 18-jährigen Geschichte der Studie. In der allgemeinen Bevölkerung fällt der Vertrauenswert um neun Punkte auf 43 Prozent. Noch deutlicher ist der Vertrauensverlust in der informierten Öffentlichkeit, also unter Menschen mit einem Hochschulabschluss, einem überdurchschnittlichem Haushaltseinkommen sowie intensiver Mediennutzung. Das Vertrauen implodiert geradezu und bricht um 23 Prozentpunkte auf 45 Prozent ein. Das ist, zusammen mit Südafrika, der niedrigste Wert der 28 untersuchten Länder.
In den USA sackt das Vertrauen der allgemeinen Bevölkerung in die Regierung gegenüber 2017 um 14 Punkte auf 33 Prozent, in der informierten Öffentlichkeit sogar um 30 Prozentpunkte auf 33 Prozent. Allerdings müssen auch die anderen drei untersuchten Institutionen - Unternehmen, NGOs und Medien - deutliche Glaubwürdigkeitsverluste zwischen fünf und 22 Punkten hinnehmen. Ein weiterer Dämpfer: In Deutschland vertrauen nur noch 24 Prozent der Menschen Unternehmen und Marken mit Sitz in den USA - im Fünf-Jahresvergleich ist das ein Verlust von 20 Punkten.
Vertrauenswerte in Deutschland bleiben auf Vorjahresniveau
Gegenüber den USA befindet sich Deutschland in vergleichsweise ruhigen Fahrwassern. Das Vertrauen in die Regierung steigt innerhalb der allgemeinen Bevölkerung um fünf Punkte auf 43 Prozent, ein für Deutschland guter Wert. NGOs verlieren zwei Punkte auf 37 Prozent. Das Vertrauen in Unternehmen legt um einen Punkt auf 44 Prozent zu. Die Glaubwürdigkeit von Medien bleibt gleich bei 42 Prozent. Bei der Interpretation der Zahlen ist zu berücksichtigen, dass die Daten für das Edelman Trust Barometer 2018 zwischen Ende Oktober und Mitte November 2017 erhoben worden sind, also in einer Zeit, in der die Sondierungsgespräche für eine mögliche Jamaika-Koalition noch liefen und in Teilen der Bevölkerung eine Aufbruchstimmung herrschte.
Branchenranking: Automobilindustrie löst Finanzdienstleister als Schlusslicht ab
Ein großes Problem hat die Automobilbranche: Das Vertrauen bricht in der allgemeinen Bevölkerung in Deutschland um 13 Prozentpunkte auf nur noch 35 Prozent ein (in der informierten Öffentlichkeit sogar minus 24 Prozentpunkte auf 34 Prozent). Noch vor dem Bekanntwerden der Abgasaffäre im Jahr 2015 lag das Vertrauen in die Automobilindustrie bei 61 Prozent. Zum Vergleich: Finanzdienstleister konnten ihren Vertrauenswert steigern (plus drei Punkte auf 38 Prozent) - im Vier-Jahresvergleich um 13 Prozentpunkte. Damit sind sie nicht mehr das Schlusslicht. Auf dem letzten Platz liegt nun die Automobilbranche.
Die Automobilindustrie hat als eine der wichtigsten deutschen Industrien ihren Ruf im eigenen Land ruiniert. Zwar stellen wir weltweit keine großen Einbrüche in die Automobilindustrie selbst fest, aber der Reputationsschaden für das Label 'Made in Germany' ist nicht zu übersehen
, sagt Susanne Marell. Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland rutschen in der Glaubwürdigkeit innerhalb der informierten Öffentlichkeit weltweit von Platz zwei im Jahr 2013 auf Platz sechs 2018.
Wie auch im vergangenen Jahr führt der Einzelhandel mit 69 Prozent (aber minus ein Prozent im Vergleich zum Vorjahr) das Branchenranking in Deutschland an - zusammen mit Professional Services (ebenfalls 69 Prozent, plus fünf Prozentpunkte), dicht gefolgt von dem Bildungssektor mit 66 Prozent (minus zwei Prozentpunkte). Hohes Vertrauen in der allgemeinen Bevölkerung genießen außerdem der Technologiesektor und die Produktion (jeweils 64 Prozent) sowie das Transport- und Verkehrswesen (62 Prozent).