Nach rund acht starken Jahren und einem Rekordhoch im Jahr 2021 warten alle auf ein Comeback der M&A-Aktivitäten. Doch das Jahr 2023 bleibt bisher schwierig. Dass es nicht so schnell und einfach geht, hat eine Reihe von Gründen. Die Unsicherheit über makroökonomische und geopolitische Entwicklungen ist nach wie vor groß – hinzu kommen die Turbulenzen im Bankensektor. Das Finanzierungsumfeld bleibt schwierig, insbesondere für LBOs. ESG-Vorschriften und regulatorische Kontrollen werden immer anspruchsvoller. Infolgedessen sind die Multiples unter Druck geraten, und die Due-Diligence-Prüfungen dauern viel länger. Mit anderen Worten: Es herrscht an mehreren Fronten ein hohes Maß an Unsicherheit.
In diesem neuen Umfeld ist es umso wichtiger, ein tiefes und nuanciertes Verständnis der Stakeholder-Landschaft zu haben und Erwartungen und Reaktionen richtig zu antizipieren. Allzu oft sorgen die Reaktionen bestimmter Stakeholder für Überraschungen. Und auch Aktivist:innen haben Deutschland vermehrt auf dem Schirm. Unternehmen sollten sich auf diese Szenarien vorbereiten.
Die Hürden für den Abschluss einer Transaktion sind also gestiegen. Deals, für die es keine zwingende Rationale gibt oder deren Rationale nicht überzeugend kommuniziert wird, haben es schwer. Doch im Kern geht es immer um ein Thema: Vertrauen die Beteiligten einander und vertrauen ihnen die wichtigsten Stakeholder – von der Due Diligence bis zum Closing?
Wie das diesjährige Edelman Trust Barometer zeigt, treibt ein Mangel an Vertrauen zusammen mit zunehmenden wirtschaftlichen Ängsten die Polarisierung der Gesellschaft voran. Den Unternehmen kommt dabei eine ganz besondere Rolle zu: Viele Stakeholder erwarten heute von den CEOs eine klare Positionierung – vor allem beim Thema Klima und bei der Erreichung von ESG-Zielen. Viele Investor:innen sind jedoch besorgt, dass die Unternehmen zu viel versprechen. Deshalb ist ESG nicht nur ein Treiber für Fusionen und Übernahmen, sondern wird bei Deals besonders genau unter die Lupe genommen.
Aufgrund dieses Vertrauensproblems ist die richtige Kommunikationsstrategie wichtiger denn je. Fünf Faktoren sind aus kommunikativer Sicht von zentraler Bedeutung für erfolgreiche Transaktionen:
1) Umfassende Kenntnis der Stakeholder, um Vertrauen zu schaffen
Steigende Erwartungen machen ein detailliertes Verständnis der Stakeholder und des regulatorischen Umfelds erforderlich. Für die Kommunikation bedeutet dies, frühzeitig ein umfassendes Issue Management und Monitoring aufzubauen. Auf dieser Grundlage kann analysiert werden, welche Positionen die Stakeholder einnehmen, welche Einstellungen sie zu zentralen Punkten der Deal Rationale haben und welche Szenarien sich entwickeln könnten. Gerade auch mit Blick auf Aktivist:innen.
2) 360-Grad-Planung integriert und digital
Genaue Zeitpläne darüber, welche Stakeholder wann und wie informiert werden sollen, sollten frühzeitig im Prozess erstellt werden. Dazu gehören auch mögliche Fragen, die von Mitarbeitenden, Betriebsrät:innen, Politiker:innen, Journalist:innen oder Investor:innen gestellt werden könnten. Eine integrierte Orchestrierung der Kommunikation wird immer wichtiger, denn die Stakeholder müssen mit denselben Botschaften auf verschiedenen Kanälen erreicht werden, zunehmend auch digital und über soziale Medien. Eine transparente und zeitnahe Kommunikation ist wichtig, um Vertrauen zu schaffen.
3) Die Story muss überzeugen
Es ist klar, dass die Gründe für die Transaktion wertsteigernd sein müssen und die Schnittstelle zur Unternehmensstrategie oder zur Equity Story logisch sein muss. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um alle Beteiligten zu überzeugen und für sich zu gewinnen. Kernbotschaften und Storyline müssen fakten- und zahlenbasiert sein und aus der Perspektive aller Stakeholder durchdacht werden. Ein Deal hat immer auch eine emotionale Komponente und ohne Vision geht es nicht. Die Stakeholder müssen darauf vertrauen können, dass der Weg der richtige ist.
4) Das Management muss sichtbar sein
Der CEO und/oder der CFO müssen eine Schlüsselrolle in der Kommunikation rund um die Transaktion spielen. Sichtbarkeit und eine klare Positionierung sind entscheidend, um Verantwortung auszustrahlen und Vertrauen in den Deal aufzubauen, insbesondere in einem turbulenten Marktumfeld. Das Management muss die Storyline und die Vision der Transaktion glaubwürdig vertreten. Sowohl intern als auch extern. Auch erfahrene Topmanager:innen sollten das richtige Auftreten üben und ihre persönlichen Kernbotschaften einem Stresstest unterziehen.
5) Teamwork ist unverzichtbar
Transaktionen haben oft eine hohe Intensität. Deshalb ist es wichtig, dass alle Beteiligten auf der Unternehmensseite bei Buyer und Target mit den Banker:innen, Anwält:innen und Kommunikationsberater:innen vertrauensvoll zusammenarbeiten. Denn oft gibt es unterschiedliche Vorstellungen, wie die Kommunikation aussehen und ablaufen soll. Ein offener Umgang und eine gute Teamorganisation sind daher gerade für den Erfolg von öffentlichen und grenzüberschreitenden Transaktionen wichtiger als man denkt.
Stefan Müller ist Senior Advisor bei Edelman Smithfield