Pessimismus in der deutschen Gesellschaft angesichts der Polarisierung auf dem Vormarsch

  • Pessimistische Zukunftsaussichten: Nur 15 % der deutschen Befragten glauben, dass es ihnen und ihrer Familie in fünf Jahren besser gehen wird. 66 % sagen, dass Deutschland gespaltener ist, als in der Vergangenheit. 
  • Teufelskreis Polarisierung: Deutschland am Scheideweg – Gefahr einer starken Polarisierung; die Entwicklung ist jedoch noch umkehrbar.
  • Wirtschaft mit Führungsmandat: Die hierzulande Befragten haben einen klaren Auftrag an die Wirtschaft und Unternehmer:innen, ihr gesellschaftliches Engagement zu verstärken und der gesellschaftlichen Spaltung entgegenzuwirken.


Frankfurt am Main, 26. Januar 2023. Das Edelman Trust Barometer 2023 zeigt die drohende Polarisierung in der Gesellschaft auf und wie diese das Vertrauen auf eine Belastungsprobe stellt. Für die 23. Ausgabe des Reports wurden über 32.000 Menschen in 28 Märkten zu ihrem Vertrauen in die Institutionen Regierung, Medien, Wirtschaft und NGOs befragt.

Kein Vertrauen in deutsche Institutionen
Mit Blick auf das Vorjahr konnten die Institutionen hierzulande kaum oder gar nicht an Vertrauen in der allgemeinen Bevölkerung gewinnen. So schafft es lediglich die Wirtschaft vom Misstrauensbereich in den neutralen Bereich (50 % sprechen ihr das Vertrauen aus; + 2 %pkt. zu 2022). Es folgen die Regierung (47 %; unverändert zu 2022), die Medien (47 %; unverändert zu 2022) und die NGOs (41 %; + 1 %pkt. zu 2022). Wie in der Vergangenheit wird allein die Wirtschaft als ethisch und kompetent handelnd angesehen.

Wirtschaftlicher Optimismus auf Allzeittief
Neben dem fehlenden Vertrauen der hierzulande Befragten in die gesellschaftlichen Institutionen, fällt auch der Blick auf die kommenden fünf Jahre negativer denn je aus:  Nur 15 % glauben, dass es ihnen und ihrer Familie in fünf Jahren besser gehen wird. Ein Tiefstwert nicht nur in Deutschland: In keinem einzigen befragten Industrieland sind mehr als 36 Prozent der Menschen zuversichtlich, dass es ihrer Familie in fünf Jahren besser gehen wird. 

Mögliche Faktoren für die düsteren Zukunftsaussichten sind hohe persönliche wirtschaftliche Ängste sowie gesellschaftliche, existentielle Ängste. So sorgen sich hierzulande 80 % der Arbeitnehmenden vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und 69 % der allgemeinen Bevölkerung vor der Inflation. Mit Blick auf die gesellschaftlichen Ängste zeigt sich deutlich ein Abbild der aktuellen geopolitischen Herausforderungen: 73 % sorgen sich vor dem Klimawandel, 68 % vor einem Atomkrieg, 62 % vor Nahrungsmittel- und 61 % vor Energieknappheit.

Misstrauen und Pessimismus Nährboden der Polarisierung
Welchen Einfluss die Ängste und das Misstrauen auf die Grundstimmung der Deutschen haben, zeigt sich bei der Frage, wie gespalten die Befragten ihr Land sehen und ob sie diese als überwindbar empfinden. Das Ergebnis ist besorgniserregend. So befindet sich Deutschland neben Ländern wie Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden sowie Italien an einem Scheideweg. Die Menschen halten es für sehr schwer, aber nicht unmöglich, die Spaltungen zu überwinden. Es besteht jedoch die Gefahr, dass sich die Gesellschaft so stark spaltet, dass sie nicht mehr in der Lage ist, diese Spaltung zu überwinden. Dies ist zum Beispiel bei Ländern wie Argentinien, Kolumbien, den Vereinigten Staaten, Südafrika als auch Spanien und Schweden der Fall, in denen sich die gesellschaftlichen Fronten schon deutlich verhärtet haben.

„Als Treiber für die Polarisierung tun sich global vor allem fehlendes Vertrauen in die jeweilige Regierung, Mangel einer gemeinsamen Identität und systemische Ungerechtigkeit hervor. Hinzukommen der benannte ökonomische Pessimismus, gesellschaftliche Ängste sowie das Misstrauen in die Medien. Die Krux dabei: die Intensität der Polarisierung hat einen Einfluss auf das Vertrauen. Länder, deren Bevölkerung ihr Land als polarisiert ansieht, setzen weniger Vertrauen in die Institutionen, was wiederum die Polarisierung verstärkt – ein Teufelskreis“,

sagt Christiane Schulz, CEO Edelman Deutschland.

Soziales Gefüge unter Druck
Die Auswirkungen der gesellschaftlichen Spaltung haben einen Einfluss auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. So sagen über zwei Drittel der Menschen hierzulande (70 %), dass der Mangel an gegenseitigem Respekt noch nie so groß war. 62 % sind der Meinung, dass das soziale Gefüge zu schwach ist, um als Grundlage für Einigkeit und gemeinsame Ziele zu dienen.
Auf zwischenmenschlicher Ebene ergibt sich ein alarmierendes Bild: Nur 26 % der deutschen Befragten, die eine starke Meinung zu einer gesellschaftlichen Frage haben, würden Menschen, die in dieser Frage anderer Meinung sind als sie, helfen, wenn sie Hilfe bräuchten, nur 23 % würden sie als Nachbar:innen akzeptieren, und nur 26 % würden Andersdenkende als Arbeitskolleg:innen haben wollen.

Die Wirtschaft muss für eine optimistische Zukunft weiter vorangehen
Die Befragten geben vor allem der deutschen Wirtschaft ein Mandat, um das zu ändern.  Die deutliche Mehrheit der Menschen hierzulande wünscht sich von der Wirtschaft mehr Engagement bei einer Reihe gesellschaftlicher Herausforderungen. Die Befragten erwarten, dass CEOs zu der Behandlung von Mitarbeitenden ihres Unternehmens (88 %), zum Klimawandel (80 %) und zum Wohlstandgefälle (77 %) öffentlich Stellung beziehen. Darüber hinaus sollen Wirtschaft und Regierung als Partner zusammenarbeiten. Die Deutschen wünschen sich dies für Themen wie: Energieknappheit, Zugang zur Gesundheitsversorgung oder Klimawandel.

„Damit es gelingt, den wirtschaftlichen Optimismus wiederzubeleben, müssen CEOs ihre Hausaufgaben machen. Dazu zählt für die Befragten unter anderem, dass Unternehmen faire Gehälter zahlen (79 %), Mitarbeitende umschulen (73 %) sowie einen fairen Steueranteil leisten (69 %). In polarisierten Gesellschaften muss die Wirtschaft eine Kraft der Mäßigung und der Konsensbildung sein. Sie spielt eine wichtige Rolle im Informationsökosystem und muss eine Quelle zuverlässiger Informationen sein. Das heißt für Unternehmen, den zivilen Diskurs zu fördern und mit Nachdruck gegen falsche Informationsquellen einzutreten“,

sagt Christiane Schulz.

 

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